Ein Stück, das Fragen aufwirft
– Nicht mit erhobenem Zeigefinger: Theater im Haus der Jugend inszeniert Dario Fos: „Mama hat den besten Shit“ über Drogenkonsum- (RNZ vom 20.07.2017) –
Mitten im Wohnzimmer seiner Eltern- Mutti bügelt gerade und Opi liest Zeitung auf dem Schaukelstuhl- steigt Luigi (gespielt von Lennärt Laidig) plötzlich dieser bestialische Geruch in die Nase: “Riecht Ihr nicht diese Mischung aus vergammeltem Weihrauch und Pferdeäpfeln?”, fragt er, öffnet Schränke und Türen, inspiziert den Küchentisch – und fragt schließlich ins Publikum. “Ist das Haschisch? Marihuana?”
Die Zuschauer sind jetzt aufgefordert, mitzumachen. Die ‘Theatertruppe vom Haus der Jugend spielt Dario Fos “Mama hat den besten Shit”, ein Stück über Drogen, Konsum und Sucht: “Ein Stück; das euch nicht nur berieselt! ” verriet Theaterpädagogin Katharina Becker gleich zu Beginn der Vorstellung: “Bewegt
euch! Macht mit! Gespielt wird ohnehin um euch herum!” Und tatsächlich: Luigi steht nur wenige Zentimeter vor den Zuschauern, als er seine Frage wiederholt: “Habt ihr geraucht?”
Das Publikum verneint, auch seine Eltern schütteln den Kopf. Und Luigi ist am Verzweifeln: Vor Jahren hat er selbst Drogen genommen, kennt die Schattenseiten und Horrortrips zu genüge. “Das fühlt sich doch nur am Anfang gut an”, ruft er. Sein Opa spricht lieber gleich von seinen eigenen, kürzlich gemachten Erfahrungen, vom Abtauchen in, eine Traumwelt, “dem warmen, weichen Gefühl” unter Drogen. Und seine Mutter Rosetta (gespielt von Sarah Rondot) gesteht schließlich, “ja, wir rauchen” – aber nur, weil: ihr die Polizei schon auf den Fersen ist und sie Verbündete braucht. Sie dealt nämlich, verkauft 150 Gramm Marihuana pro Woche – “wenn es gut läuft”. Das hat sich herumgesprochen, und seit ihr
Neffe Antonio (Robert Bowien) im Drogendezernat ist, wimmelt es vor ihrer Wohnung nur so von Polizei.
Warum ein solches Thema anzieht? Warum man dieses Stück spielt? Bowien grinst, “Gibt es Jugendliche, die nicht mit Drogen in Kontakt kommen, sei es auch nur mit Alkohol?”, fragt der 17 -Jährige. Im Stück spielt er Antonio, den Polizisten. Eigentlich war er für den Luigi vorgesehen. Doch neben der Schule hatte er die Zeit für eine solche große Rolle nicht. Denn: Geprobt wurde wöchentlich. “Und dabei haben wir vor allem diskutiert” , erzählt Schauspieler Bowien. “Darüber, welche Erfahrung wir mit Drogen gemacht haben, wie wir zu Legalisierung von Cannabis stehen – und natürlich, wie wir das Stück inszenieren wollen.“
Dass es jetzt mehr Fragen aufwirft, als es beantwortet, ist so gewollt. “Das macht unsere Inszenierung realistisch”, meint der 17 –Jährige: “Wir wollen nicht mit erhobenem Zeigefinder sagen: Drogen sind schlecht, aber eben auch nicht, gut sind.“ Denn: „Manchmal sind es gesellschaftliche Zwänge, die krank machen“; meint Bowien.
So der fall auch von Rosetta. Noch immer bügelt sie, hängt Wäsche auf – und zischt: „ Ach, meint ihr, eine Mutter ist eine Mutter. Und sie ist eine Frau. Eine Heilige, die sich sorgt um ihren Ehemann , ihre Kinder.“ Doch Rosetta will sich ihrem Schicksal nicht hingeben, sie will ausbrechen aus dem eng gestrickten Rollenbild – und dreht sich einen Joint. „Da muss man sich Ritalin reinpfeifen, um nicht aus der Haut zu fahren.“
Dann wird es dunkel. Das Stück endet jedoch nicht. Die Jugendlichen – die eben auch die düstere Seite des Drogenkonsums beleuchten wollten – entführen ihr Publikum in den Keller wo eine Installation wartet. Dort sitzen Heroinsüchtige, die auf Matratzen krepieren, alle paar liegen Alkoholflaschen und Spritzen auf dem Boden – ein Kind schreit – und ein Mädchen (Malena Coll) rekelt sich an der Stange. In Anlehnung an der Erlkönig singt sie: „Was torkelt geschwind / durch Nacht und Wild / es ist Chantal mit dem Kind / Sie rammt die Spritze in den Arm / Sie hält sie sicher / stellt wie warm.“
Hier gibst die Bilder zu sehen und auch der Link zum “Filmchen”!